Christine Manka
Laζamons ‚Brut‘: Rückblick auf den epischen Helden des angelsächsischen England aus der Sicht eines hochmittelalterlichen Engländers mit normannisch-lateinisch-britischen Bezügen.

Die frühmittelenglische,
16000 Langzeilen umfassende Britenchronik Laζamons
Brut
schildert die Geschichte der britischen Könige, angefangen beim mythischen
Begründer Großbritanniens Brutus über den sagenhaften König Arthur
bis zur endgültigen Niederlage gegen die Angelsachsen unter Cadwalader.
Die Chronik, eine Übersetzung des anglonormannischen
Roman de
Brut von Wace, der wiederum auf die lateinische
Historia Regum
Britanniae von Geoffrey of Monmouth zurückgeht, ist in zwei Manuskripten
erhalten, Cotton Caligula A IX und Cotton Otho C XIII, die auf allen
sprachlichen Ebenen erheblich divergieren. Keine der beiden Fassungen,
die ungefähr auf die gleiche Entstehungszeit gegen Ende des 13. Jahrhunderts
datiert werden, ist das Original des Autors.
Die Sprache der Caligula-Fassung ist für die Entstehungszeit des
Brut ca. ein Jahrhundert nach der Normannischen Eroberung im
Jahr 1066 äußerst archaisch, was sich sowohl in der Lexis, Phonologie,
der Versform – alliterierenden Langzeilen – und der Wortbildung -
Gebrauch von Nominalkomposita – niederschlägt. Laζamon,
ein Priester aus der Nähe von Worcester, scheint bewusst auf ein Vokabular
zurückgegriffen zu haben, das kaum französische Wörter enthält und
dem Leser die untergegangene altenglische Heldendichtung, die in Heldenepen
wie
Beowulf oder der
Battle of Maldon ihren Ausdruck
fand, in Erinnerung ruft. Die Otho-Fassung wurde dahingegen vom Kopisten
erheblich gekürzt und sprachlich modernisiert. Sie weist immer noch
etliche Charakteristika der Caligula-Handschrift auf, wie beispielsweise
die Formelhaftigkeit der Komposition, allerdings hat der Schreiber
einige der für die altenglische Dichtung charakteristischen Merkmale
beseitigt oder zumindest erheblich reduziert und so beispielsweise
Alliteration in etlichen Fällen in Endreim umgewandelt und eine Großzahl
der Nominalkomposita durch Simplizia ersetzt.
Angesichts der sprachlichen und kulturellen Situation im England des
12. Jahrhunderts erscheint diese Glorifizierung der Briten, die in
der Begründung des Arthusmythos in englischer Sprache gipfelt, unter
Rückgriff auf die Sprache der angelsächsischen Eroberer, die zugleich
alle Werte und Traditionen des germanischen Heldentums transportiert,
äußerst ambivalent.
Vor dem Hintergrund dieses kulturell komplexen Verhältnisses von Gedicht,
Sprache und Gesellschaft untersuche ich das Wortfeld ‚Held‘,
‚Krieger‘, ‚Waffen‘ und ‚Schlacht‘
in den beiden Versionen des
Brut unter jeweiliger Berücksichtigung
des anglonormannischen Quelltextes. Emblematisch für die vom Otho-Schreiber
vorgenommenen Veränderungen ist der in vielen Fällen beinahe kategorische
Ersatz von Begriffen für Krieger, wie beispielsweise
ðein,
heleð und
beorn, die den Geist des angelsächsischen
Heldentums heraufbeschwören, durch das Wort
cniht.
Ziel meines Dissertationsprojekts ist es, herauszufinden, ob der Otho-Kopist
bei seiner Überarbeitung des Gedichtes ein bestimmtes revisorisches
Konzept im Kopf hatte und die Lexis unter Berücksichtigung stilistischer
Faktoren bewusst abgeändert hat, so dass die Otho-Fassung Assoziationen
mit dem keimenden Genre der mittelenglischen Romanze hervorruft.
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