Graduiertenkolleg 516
Kulturtransfer im europäischen Mittelalter

Bastian Scherbeck

Vom Wort zum Bild: Sprichwortdarstellungen auf deutschen Miserikordien des Mittelalters, ihre Quellen und Nachfolger. Eine intermediale, europäische Studie

Bastian Scherbeck Miserikordien, „Console[s] of wood, sometimes carved, supporting the ledge of the mobile [choir stall] seat“ (Elaine Block), wurden in der deutschen Forschung - im Kontrast zur europäischen – bisher weitestgehend vernachlässigt. Zugegebenermaßen ist es nicht schwer diese in den Anfangszeiten vielleicht gar nicht geschmückten, dann nur spärlich mit Ornament verzierten, schließlich reich mit narrativen Szenen ausgestatteten kleinen Kunstwerke zu übersehen. Dies soll sich nun jedoch ändern. Fokussiert auf die Sprichwortdarstellungen, welche neben anderer auf den ersten Blick „profan“ erscheinender Motivik immer wieder auf den Miserikordien zu finden sind, widmet sich die begonnene Dissertation nach einer begrifflichen und funktionalen Bestimmung und Einordnung dieser wohl „grotesken“ Kleinstskulptur in den Kontext der christlichen Kunst und einer ausführlichen Einführung in Theorie und Geschichte der Sprichwortillustration, den verschiedenen Transferprozessen, welche die Darstellung der sprichwörtlichen Redensarten und die Verbreitung dieser Darstellungen in ganz Westeuropa ermöglichten. Neben den Transferprozessen gilt es auch mit der Theorie der Groteske als „Medium des kulturellen Wandels“ (Peter Fuß) einen Blick auf die sozialen, ökonomischen und politischen Zustände des Spätmittelalters zu werfen und die Interdependenz von „profaner“ Ikonographie in christlichem Kontext und kultureller Entwicklung an der Schwelle zur Neuzeit zu untersuchen. Konkretisiert wird dies anhand der Analyse und detaillierten Beschreibung der Piktorialisierungen von vier sprichwörtlichen Redensarten („Rosen [bzw. Perlen] vor die Säue werfen“, „Gegen den Ofen gähnen“, „Zwei Hunde an einem Bein [Knochen] kommen selten überein“, „Zwischen zwei Stühlen sitzen“), an welchen die vermutete Akzentverschiebung in Ikonographie und Bedeutung der Darstellungen bis zu den Miserikordien, zwischen den einzelnen Miserikordien von Deutschland bis Portugal, und hin zu ihren Nachfolgern aufgezeigt wird. Dabei stellt sich die Frage inwieweit das Medium der Darstellung Ikonographie wie Ikonologie der jeweiligen Redensart beeinflusst und welche Rolle – insofern heute noch nachvollziehbar – die Vermittler und die ausführenden Künstler, sowie die (kulturelle ?) Rekontextualisierung dabei spielten. Letztlich darf, analog zu der kunsthistorischen Ebene, auch eine parömiologische (sprichwortwissenschaftliche) Betrachtung der genannten Sprichwörter nicht fehlen, welche die Studie abrundet: Wo und wann finden sich die frühesten schriftlichen Überlieferungen der Sprichwörter? In welchen literarischen Kontexten sind diese, insbesondere im Spätmittelalter, nachweisbar? Lässt sich auch auf parömiologischer Ebene eine „semiotische Akzentverschiebung“ feststellen? Inwiefern spielt in diesem Fall der Kulturtransfer eine Rolle?

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