Bastian Scherbeck
Vom Wort zum Bild: Sprichwortdarstellungen auf deutschen Miserikordien
des Mittelalters, ihre Quellen und Nachfolger. Eine intermediale,
europäische Studie

Miserikordien, „Console[s]
of wood, sometimes carved, supporting the ledge of the mobile [choir
stall] seat“ (Elaine Block), wurden in der deutschen Forschung -
im Kontrast zur europäischen – bisher weitestgehend vernachlässigt.
Zugegebenermaßen ist es nicht schwer diese in den Anfangszeiten vielleicht
gar nicht geschmückten, dann nur spärlich mit Ornament verzierten,
schließlich reich mit narrativen Szenen ausgestatteten kleinen Kunstwerke
zu übersehen. Dies soll sich nun jedoch ändern. Fokussiert auf die
Sprichwortdarstellungen, welche neben anderer auf den ersten Blick
„profan“ erscheinender Motivik immer wieder auf den Miserikordien
zu finden sind, widmet sich die begonnene Dissertation nach einer
begrifflichen und funktionalen Bestimmung und Einordnung dieser wohl
„grotesken“ Kleinstskulptur in den Kontext der christlichen Kunst
und einer ausführlichen Einführung in Theorie und Geschichte der Sprichwortillustration,
den verschiedenen Transferprozessen, welche die Darstellung der sprichwörtlichen
Redensarten und die Verbreitung dieser Darstellungen in ganz Westeuropa
ermöglichten. Neben den Transferprozessen gilt es auch mit der Theorie
der Groteske als „Medium des kulturellen Wandels“ (Peter Fuß)
einen Blick auf die sozialen, ökonomischen und politischen Zustände
des Spätmittelalters zu werfen und die Interdependenz von „profaner“
Ikonographie in christlichem Kontext und kultureller Entwicklung an
der Schwelle zur Neuzeit zu untersuchen. Konkretisiert wird dies anhand
der Analyse und detaillierten Beschreibung der Piktorialisierungen
von vier sprichwörtlichen Redensarten („Rosen [bzw. Perlen] vor
die Säue werfen“, „Gegen den Ofen gähnen“, „Zwei Hunde an
einem Bein [Knochen] kommen selten überein“, „Zwischen zwei
Stühlen sitzen“), an welchen die vermutete Akzentverschiebung in
Ikonographie und Bedeutung der Darstellungen bis zu den Miserikordien,
zwischen den einzelnen Miserikordien von Deutschland bis Portugal,
und hin zu ihren Nachfolgern aufgezeigt wird. Dabei stellt sich die
Frage inwieweit das Medium der Darstellung Ikonographie wie Ikonologie
der jeweiligen Redensart beeinflusst und welche Rolle – insofern
heute noch nachvollziehbar – die Vermittler und die ausführenden
Künstler, sowie die (kulturelle ?) Rekontextualisierung dabei spielten.
Letztlich darf, analog zu der kunsthistorischen Ebene, auch eine parömiologische
(sprichwortwissenschaftliche) Betrachtung der genannten Sprichwörter
nicht fehlen, welche die Studie abrundet: Wo und wann finden sich
die frühesten schriftlichen Überlieferungen der Sprichwörter? In welchen
literarischen Kontexten sind diese, insbesondere im Spätmittelalter,
nachweisbar? Lässt sich auch auf parömiologischer Ebene eine „semiotische
Akzentverschiebung“ feststellen? Inwiefern spielt in diesem Fall
der Kulturtransfer eine Rolle?
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